Mainzer Altertumswissenschaftlerin erhält im Akademienprogramm 2015 Bewilligung für Langzeitprojekt zu altägyptischen Kursivschriften
Hieratisches und kursivhieroglyphisches Zeicheninventar soll erstmals systematisch und digital erfasst werden / Gemeinsame Finanzierung durch Bund und Länder
Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) des Bundes und der Länder hat das Akademienprogramm 2015 der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften mit einem Gesamtvolumen von rund 62 Millionen Euro beschlossen und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz zwei neue Langzeitvorhaben bewilligt, darunter für das Projekt "Altägyptische Kursivschriften: Digitale Paläographie und systematische Analyse des Hieratischen und der Kursivhieroglyphen" unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ursula Verhoeven-van Elsbergen vom Arbeitsbereich Ägyptologie des Instituts für Altertumswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Das Akademienprogramm dient der Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung des kulturellen Erbes und ist eines der größten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramme der Bundesrepublik Deutschland. Es wird von Bund und Ländern gemeinsam finanziert.
Die kursiven Handschriften stellen im Gegensatz zu den vorwiegend gemeißelten Hieroglyphen die eigentliche Schrift des Alten Ägypten dar, die mit Binsenstengeln und schwarz-roter Tusche auf Papyrus, Leinen, Leder, Holz, Keramik, Putz oder Stein geschrieben wurde. Die hieratische Schrift wurde 3.000 Jahre lang für die verschiedenen Sprachstufen Ägyptens verwendet und erst in der Mitte des 1. Jahrtausends v.Chr. in einigen Bereichen von der demotischen Kursivschrift verdrängt. Die sogenannten Kursivhieroglyphen sind eine handschriftliche, formnahe Umsetzung von Einzelhieroglyphen. Die Erforschung beider Schriftarten und ihres Verhältnisses zu den Hieroglyphen und zum Demotischen ist immer noch ein Desiderat der Ägyptologie und Handschriftenkunde. Das über 100 Jahre alte Standardwerk mit Listen zur "Hieratischen Paläographie" aller Epochen von Georg Möller beruhte auf insgesamt nur 32 Quellen und wurde von der jüngeren Forschung nur ausschnittweise ergänzt. Im Rahmen des jetzt bewilligten Vorhabens soll das hieratische und kursivhieroglyphische Zeicheninventar anhand ausgewählter und aussagekräftiger Textzeugen erstmals systematisch und digital erfasst werden, wobei verschiedene Epochen, Regionen, Textgattungen und Schriftträger aus dem Belegzeitraum von ca. 2700 v.Chr. bis 300 n.Chr. Berücksichtigung finden.
Der Zugang zu den Quellen erfolgt über unterschiedliche Aufbereitungen des Materials. Ziel ist zum einen die Erstellung einer digitalen Paläographie, die das Zeichenrepertoire für vielfältige Suchmöglichkeiten sowie für die Kooperation mit der internationalen Fachwelt bewahrt und online präsentiert und daneben umfangreiche Metadaten zu allen relevanten Quellen bietet. Teil- oder Spezialpaläographien werden sukzessive auch als Downloaddateien oder Buchpublikationen zur Verfügung gestellt. Zum anderen erfolgt eine systematische Erforschung der Kursivschriften mit Blick auf Entstehung und Entwicklung, Funktionsbereiche, Regionalität und Datierbarkeit. Weitere Fragestellungen beziehen sich beispielsweise auf die Ökonomie und Materialität des Schreibens, das Layout von Manuskripten oder die Identifikation von individuellen Schreiberhänden. Während Module zur Informationstechnik das Vorhaben im Bereich der Digital Humanities verankern, werden Praktika zum Schreiben und Faksimilieren von Hieratisch sowie zur Didaktik Eingang in die ägyptologischen Studiengänge finden.
Das Projekt ist auf 23 Jahre angelegt und mit einem jährlichen Volumen von rund 265.000 Euro ausgestattet. Unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ursula Verhoeven-van Elsbergen werden Arbeitsstellen im Arbeitsbereich Ägyptologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie im Bereich Computerlinguistik an der Technischen Universität Darmstadt eingerichtet.