Inhalte und Ziele

Kursivschriften im Alten Ägypten

Im Alten Ägypten gab es über 3000 Jahre lang neben den eher monumentalen und bildhaften Hieroglyphen auch vereinfachende Schriftformen mit unterschiedlichen Graden der Kursivität, wobei die Bezeichnungen dieser Schriftarten als Hieratisch, Abnorm- bzw. Kursivhieratisch, Demotisch sowie Kursivhieroglyphen auf einer langen Wissenschaftsgeschichte basieren. Die altägyptische Wortwurzel für „Schrift“, „schreiben“ und „Schreiber“ (sesch) wird mit dem altägyptischen Schreibgerät für Handschriften geschrieben, das aus einem Binsenbehälter, einem Ledersäckchen für Farbpigmente und einer Palette mit zwei Näpfen für schwarze und rote Tusche besteht. Mit dieser schrieb man auf Papyrus, Leinen, Leder, aber auch auf Holztafeln, Särgen oder anderen Objekten. Auch Tongefäße, Stein- oder Keramikscherben (Ostraka) sowie glatte Flächen von Wänden oder Stelen wurden mit Tusche beschrieben. Mitunter wurden kursive Zeichen auch eingeritzt, insbesondere in Felswände (Ritzgraffiti). Die unermessliche Textmenge enthält Zeugnisse aus allen Bereichen, Alltag, Verwaltung, Wirtschaft, Literatur und Wissensgebiete, Religion und Funerärkultur.

Statue des Schreibers Henka, 2450 v.Chr. Replikat von Berlin ÄM 7334.
Statue des Schreibers Henka, 2450 v.Chr. Replikat von Berlin ÄM 7334.
Schreibgerät Gardiner Sign-list Y4 (links) und hieratische Version (rechts)
Schreibgerät; links: Standardhieroglyphe (Gardiner Sign-list Y4); rechts: hieratische Version des Neuen Reiches (Möller Nr. 537, pAbbott)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das AKU-Projekt

Im April 2015 startete das auf 23 Jahre angelegte Mainzer Akademieprojekt "Altägyptische Kursivschriften (AKU). Digitale Paläographie und systematische Analyse des Hieratischen und der Kursivhieroglyphen" mit Arbeitsstellen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Ägyptologie) und der Technischen Universität Darmstadt. (Sprach- und Literaturwissenschaft - Computerphilologie).

Ziel ist die paläographische Aufarbeitung der kursiven Handschriften, um deren Entstehung, Entwicklung und Datierung  im Kontext der altägyptischen Schriftkultur erforschen zu können. Die Untersuchungen gelten auch der Materialität der Schriftträger, den zwischen Kalligraphie und Ökonomie schwankenden Ausprägungen der Schreiberhände sowie den gesellschaftlichen Funktionen, Anwendungen und Kombinationen der verschiedenen Schriftarten durch die Jahrtausende. Erstmals werden verschiedene digitale Methoden für Dokumentation und Analyse entwickelt und angewandt.

Das  AKU-Projekt hat eine Zeichenliste mit über 700 verschiedenen Graphemen erstellt, die dem Zeichenrepertoire des Hieratischen und der Kursivhieroglyphen entsprechen. Anhand ausgewählter Textzeugen aller Epochen werden die kursiven Zeichenformen des Hieratischen (Hieratogramme) und die der Kursivhieroglyphen in der Projektdatenbank eingegeben, mit umfangreichen Metadaten versehen und unter anderem mit Bilddaten verlinkt. Im Rahmen der Open Science-Politik wurde eine aus der Projektdatenbank hervorgehende Online-Paläographie erarbeitet, die unter der Bezeichnung AKU-PAL seit 2022 open access zur Verfügung steht.

Da das Projekt selbst nur eine begrenzte Zahl an Texten aufnehmen kann, ist eine enge Kooperation innerhalb der internationalen Ägyptologie unabdingbar. Wenn Kollegen weltweit einen neuen Text (in hieratischer Schrift oder in Kursivhieroglyphen) bearbeiten, können sie dem AKU-Projekt das neue paläographische Material zur Verfügung stellen. Unter Wahrung des Copyrights und Angabe des Bearbeiters wird es in die Datenbank einfließen können. Das AKU-Projekt kann seinen Kooperationspartner*innen bessere bzw. neue Such-, Vergleichs- und Auswertungsmöglichkeiten bieten.